Vor mir war die Linie meines Lebens abgebildet auf sechs aneinandergehefteten Papierbögen, die mir zu Füßen lagen. Fast zwei Meter Leben mit all den Aufbrüchen, Wendungen, Abbrüchen und Umbrüchen.
Mit meiner Frau zusammen nahm ich an einem Fortbildungskurs teil, der im „Geistlichen Zentrum Schwanberg“ durchgeführt wurde. An diesem Wochenende ging es darum, seinen verinnerlichten Gottesbildern auf die Spur kommen. Dazu sollte eine geistliche Übung beitragen. Die Teilnehmer bekamen einen Stapel Papierbögen ausgehändigt, die aufgefaltet eine Linie ergaben. Jeder Papierbogen stand für zehn Lebensjahre. Mit zwei verschieden gefärbten Wollfäden konnte man darauf seinen Lebenslauf grafisch nachbilden. Der braune Faden stand für die Höhen und Tiefen des Lebens. Mit dem blauen Faden sollte man darstellen, wie man sein Verhältnis zu Gott in der jeweiligen Lebensphase empfunden hat, was etwa durch kleinere oder größere Abstände zum braunen Faden sichtbar gemacht werden konnte. Der Kreativität in der Darstellung waren keine Grenzen gesetzt.
Zunächst hatte ich Mühe mit dieser Aufgabenstellung. Doch die abschließenden Bemerkungen einer Kursleiterin halfen mir, mich doch darauf einzulassen. Sinn der Übung sei weder, alles richtig zu machen, noch seine Erfahrungen zu analysieren, noch darüber ins Gespräch zu kommen. Man solle lediglich wahrnehmen, ohne dabei zu bewerten oder voreilige Schlüsse zu ziehen.
Als meine Lebenslinie schließlich vor mir lag, wollte ich sie noch als Foto sichern. Doch musste ich zunächst mithilfe eines Stuhls für den notwendigen Abstand sorgen, um sie in voller Länge aufnehmen zu können. Als ich durch die Linse schaute, wurde mir nicht nur die Länge meines bisherigen Lebens bewusst, sondern auch die statistische Wahrscheinlichkeit, dass nur noch zwei weitere Papierbögen hinzukommen.
Mein Bedürfnis, die einzelnen Stationen meines Lebens genauer unter die Lupe zu nehmen, wurde immer stärker. Da Schreiben für mich eine Form meditativer Betrachtung ist, entstand dieses Buch gewissermaßen als vertiefende Ausführung einer geistlichen Übung. Meine besondere Aufmerksamkeit galt den Erfahrungen, die mich innerlich berührt und nachhaltig geprägt haben. Diese „Herzenssachen“ verbinde ich mit ergänzenden biografischen Einzelheiten, damit im Leser ein Gesamtbild und ein Gefühl für die verschiedenen Lebensabschnitte entstehen kann. Denn neben dem braunen und dem blauen Faden gehört für mich auch der rote Faden dazu, den ich mit meiner Erzählung sichtbar machen wollte. Da die einzelnen Geschichten Teil dieser übergreifenden Erzählung sind, habe ich sie nicht durch eigene Überschriften hervorgehoben. Die Einteilung der Kapitel nach Wohnorten und Zeiträumen bietet genug Orientierung.
Es empfiehlt sich, die Kapitel an einem Stück zu lesen. Da nicht immer genügend Zeit zur Verfügung steht, weise ich in längeren Kapiteln auf Stellen hin, an denen sich aus meiner Sicht eine Lesepause anbieten würde. Diese Stellen habe ich mit drei Sternchen markiert.
Ergänzende Inhalte, die den Fluss meiner Erzählung unterbrochen hätten, finden sich im Anhang.